Forensiktage

Fachtagung Forensiktage in der Klinik Nette-Gut

Die jährlich stattfindenden Forensiktage thematisieren die neuesten Entwicklungen um die Weiterentwicklung der Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher. Dabei werden die Themen aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen immer wieder im Fokus der Tagung.

Bundesweit stellt die Tagung mittlerweile eine wichtige Säule im fachspezifischen Erfahrungsaustausch dar.

Forensiktage - Archiv

150 Teilnehmer aus mehr als 50 Einrichtungen aus ganz Deutschland diskutierten bei den 16. Forensiktagen der Klinik Nette-Gut zwei Tage lang zum Themenfeld „(Sexuelle) Gewalt und ihre Opfer“. Dabei ging es auch um Prävention, denn, was kaum bekannt ist: „Auch die Präventionsarbeit ist einer der gesellschaftlichen Aufträge an den Maßregelvollzug. Fachleute aus der Klinik Nette-Gut in Weißenthurm arbeiten deshalb seit jeher intensiv präventiv mit anderen Einrichtungen zusammen“, erklärte der Ärztliche Direktor der Klinik Nette-Gut, Dr. Frank Goldbeck. Es werde viel getan, um vorbeugend zu wirken. Die Arbeit helfe, die Rate der Straftaten zu reduzieren.

Präventiv arbeitet auch Max Weber. Weber war einer der Referenten der Tagung. Er ist pädophil. Eine Straftat hat er nie begangen. Er hat stattdessen eine Therapie absolviert, um mit seiner Neigung leben, um sie kontrollieren zu können. Sein Vortrag zu seinen eigenen Erfahrungen, der Mut über sich zu sprechen, sorgten beim Fachpublikum für große Anerkennung. Weber betreibt eine Internetplattform, die sich mit der Krankheit Pädophilie und der Herausforderung beschäftigt, kein Täter zu werden. Sie ist eine virtuelle Anlaufstelle für pädophile Männer und Frauen – ein „Erste-Hilfe-Koffer“, wie Weber es beschreibt.

Die Forensiktage setzten sich mit essenziellen Fragen zum Themenfeld auseinander. Es ging um Möglichkeiten für Menschen, die nicht erneut zum Täter werden wollen, um den Umgang mit Opfern sexueller Gewalt während eines Strafverfahrens und um Therapien für Gewaltstraftäter. Die Tagung befasste sich zudem mit verschiedenen Aspekten von Gewalttätigkeit und Gewaltstraftaten. Aus der Forensischen Präventionsambulanz Asbach wurde ein Modellprojekt zur Behandlung psychisch kranker Menschen mit besonders hohem Gewaltrisiko vorgestellt, dessen Ziel die Verhinderung von Gewaltstraftaten ist. Ebenfalls praxisnah war der Vortrag zu Zielen, Methoden und Strukturen des Systemischen Anti-Gewalt-Trainings, einer spezifisch an (sexuelle) Gewaltstraftäter und gewaltaffine Menschen gerichtete Behandlungsmethode im Maßregelvollzug.

Für Dr. Gerald Gaß, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses (AöR), war klar: „Das Schwerpunktthema der Forensiktage betrifft sicherlich eine ganz besondere Gruppe, die wir betreuen.“ Neben der Eruierung therapeutischer Möglichkeiten, der sehr bedeutsamen Risikoeinschätzung und der Einschätzung von Präventionsmöglichkeiten sei die Reintegration „eine ganz schwierige und besondere Aufgabe“, die eine „besondere Herausforderung“ darstelle. Umso wichtiger, so Gaß, sei es, offen damit umzugehen.

Der Anteil psychisch Kranker an Gewaltkriminalität sei gering, sagte Dr. Alexander Wilhelm, Vorsitzender des Aufsichtsrates des Landeskrankenhauses und Staatsekretär im Sozialministerium. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine „kleine Sub-Gruppe“ von psychisch kranken Menschen gebe, die Gewaltstraftaten ausüben könne. Daher gebe es Präventionsangebote des Landes Rheinland-Pfalz – wichtig sei für Teilnehmende ein Problembewusstsein, dass sie dazu bringe, von sich aus Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beispielhaft nannte Wilhelm das Präventionsprojekt Dunkelfeld in Mainz. Das Land finanziere das Projekt mit, denn, so der Staatssekretär, es sei auch ein „Beitrag zum vorbeugenden Opferschutz“.

Die Forensiktage dienten auch dazu, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man sich mit dem schwierigen Thema (sexuelle) Gewalt intensiv auseinandersetzt. Die Skepsis, die die Fachleute erreicht, fasste Dr. Frank Goldbeck zusammen: „Viele denken, wir werden erst tätig, wenn es bereits zu spät ist. Der zweite Vorwurf lautet, man denke nie an die Opfer. Das ist nicht der Fall.“ Der Ärztliche Direktor kritisierte, dass Diskussionen oft eindimensional verlaufen, hoch emotional und nicht immer an Fakten orientiert sind. „Die Forensiktage beweisen, dass Prävention von Gewaltstraftaten und sexuellen Gewaltstraftaten möglich ist“, stellte Goldbeck fest.

Die 15. Forensiktage der Klinik Nette-Gut für forensische Psychiatrie (KNG) standen im Fokus der „Flüchtlingsdebatte“, von der auch der Maßregelvollzug unmittelbar betroffen ist. Unter dem Titel „Under Pressure – Flüchtlinge, Migranten und Behandlungsdruck im Maßregelvollzug“ diskutierten rund 140 Fachleute aus Deutschland und dem europäischen Ausland.

Immer häufiger müssen Flüchtlinge und Migranten begutachtet werden, die psychisch erkrankt, nicht selten traumatisiert und durch Straftaten mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Der Maßregelvollzug wird dabei durch sprachliche und kulturelle Besonderheiten vor große Herausforderungen gestellt. Dr. Frank Goldbeck, Ärztlicher Direktor der KNG, fasste die Themenkomplexe der Forensiktage so zusammen: „Es geht um Patienten mit anderem kulturellem Hintergrund, um Behandlungsdruck, Langzeit-Patienten und die Novellierung des Paragrafen 63 Strafgesetzbuch.“

„Das Land schätzt die Arbeit im Maßregelvollzug äußerst wert“

Das Thema „Flüchtlinge“ sei angekommen in den psychiatrischen Einrichtungen, sagte Dr. Gerald Gaß, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses (AöR), Träger der KNG. Die Frage sei nun: „Wie können, wie müssen wir uns auf die veränderte Situation einstellen?“Dr. Alexander Wilhelm, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie Aufsichtsratsvorsitzender des Landeskrankenhauses, sagte, es herrsche die hohe gesellschaftliche Erwartung an Sicherheit – dass Patienten aus dem Maßregelvollzug erst entlassen werden, wenn sie geheilt sind. Die Folge waren in der Vergangenheit „zu lange Aufenthaltszeiten“ und schließlich die Reform des Paragraphen 63 StGB. Zwar seien die Auswirkungen dieser Reform nicht so gravierend wie zunächst befürchtet, dennoch mahnten die Gerichte frühere Entlassungsziele für die Patienten an.

Komme es jedoch bei Lockerungsmaßnahmen zu einem Missbrauch, sei dies öffentlichkeitswirksam, wobei es in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle spiele, dass dabei kaum Straftaten begangen werden. Dennoch werde der Maßregelvollzug „in schlechtes Licht gerückt“. Umso wichtiger war es Wilhelm, deutlich zu machen: „Das Land schätzt die Arbeit im Maßregelvollzug äußerst wert. Wir lassen uns in dieser Haltung nicht beirren, auch wenn der Druck steigt.“

Welche Auswirkungen haben kulturelle Aspekte auf Kriminalitätsprognostik?

Inhaltlich wurde zunächst die Flüchtlingsthematik aufgegriffen. In diesem Bereich tätige Juristen bewerteten die Sachverhalte. Es wurde darüber gesprochen, ob und inwieweit Kriminalitätsrisiken von Flüchtlingen und Migranten für an der Basis tätige Helfer frühzeitig zu erkennen sind, wie Maßregelvollzugskliniken versuchen, sich den neuen Herausforderungen zu stellen und welche Auswirkungen kulturelle Aspekte auf die Kriminalitätsprognostik haben.

Am zweiten Tag der Forensiktage beschäftigten sich die Teilnehmer mit dem Behandlungsdruck im Maßregelvollzug. Es wurde darüber referiert, wie Patienten, deren Entlassung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ansteht, dennoch auf ihr neues Leben in Freiheit vorbereitet werden können und wie die KNG im Rahmen des Entlassmanagements auf die Novellierung des Paragrafen 63 (Strafgesetzbuch) reagiert.

Zwei niederländische Referenten zeigten auf, welche Ansätze in Europa bei jenen verfolgt werden, die allgemein als Langzeitpatienten beschrieben werden. Des Weiteren wurde eine Forschungsarbeit vorgestellt, die sich mit der Effektivität von Anti-Gewalttrainings bei Maßregelvollzugspatienten befasst. Schließlich wurde aufgezeigt, mit welcher Problematik Gutachter konfrontiert sind, die Flüchtlinge begutachten müssen.

14. Auflage der Fachtagung beschäftigt sich mit den Veränderungen für Gemeindepsychiatrien und den Maßregelvollzug durch die Novellierung des § 63 StGB.

Andernach. Die Novellierung des Paragraphen 63 StGB brachte einige Unsicherheiten mit sich und stellt Juristen, Gutachter, forensische Kliniken und die Gemeindepsychiatrie vor beachtliche Herausforderungen. Das war Ansporn, das Thema der diesjährigen Forensiktage der Klinik Nette Gut für Forensische Psychiatrie darauf auszurichten, um zu helfen, etwas mehr Klarheit zu schaffen. Das Motto der 15. Forensiktage: "Gemeindepsychiatrie und Maßregelvollzug in Zeiten des Umbruchs".

"Wir leben in spannenden Zeiten", sagte Dr. Frank Goldbeck, der erstmals als Ärztlicher Direktor die Forensiktage eröffnete. "Die Reform des Paragraphen 63 war überfällig." Und: "Jetzt müssen wir anfangen, mit den Konsequenzen zu leben." Dr. Silke Heinemann, Abteilungsleiterin im rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie, erinnerte, die Gesetzesreform war begründet durch den unverhältnismäßig starken Anstieg der Patienten im Maßregelvollzug. Sie weiß, dass die Gemeindepsychiatrie dadurch vor großen Herausforderungen steht. Ein Runder Tisch im Ministerium habe bereits "viele neue Konzepte" hervorgebracht.

Zu den Vorträgen gehörte neben anderen der Beitrag von Hardy Thieringer und Frederike Pickert vom Haus Bachtal im Brohltal. Die Heimeinrichtung ist einer der wichtigsten Kooperationspartner der Klinik Nette-Gut. Dorthin kommen Patienten, die beurlaubt oder entlassen werden. Der Geschäftsführer und die Pflegedienstleiterin berichteten von ihren Erfahrungen.

Melitta Hofer und Björn Daum von der Rhein-Mosel-Akademie erklärten in ihrem Vortrag, wie man den Bewohnern aus dem Maßregelvollzug begegnen soll. Die Akademie erstellt dazu ein Bildungsangebot, das Mitarbeitern der jeweiligen Einrichtungen Unterstützung beim ungewohnten Umgang bietet.

Im Zuge der Novellierung des Paragraphen 63 StGB fällt schnell auch der Begriff FPIA (Forensisch-psychiatrische Institutsambulanz). Denn die FPIA wird als wichtige Unterstützung für die Gemeindepsychiatrie genannt. Raoul Kieffer (FPIA der Klinik Nette-Gut) berichtete von der Arbeit der zwölf Mitarbeiter, die aktuell knapp 170 Patienten im nördlichen Rheinland-Pfalz betreuen. Die Ziele der hauptsächlich aufsuchenden Tätigkeiten liegen in der Reduzierung des Delinquenz-Risikos, der psychosozialen Reintegration, der Rückgewinnung und der Übernahme von Eigenverantwortung ("Idealfall"). Es soll ein vollständiger Übergang in die Gemeindepsychiatrie möglich werden.

Der Normalfall, so Kieffer, heißt Beurlaubung und dann regelhafte Entlassung. Auch nach einer Entlassung bestehe eine Führungsaufsicht - es ist ein Wechsel von der stationären in die ambulante Maßregel. Sogenannte Weisungen (etwa zur Vorstellung oder Behandlung) seien zum Teil strafbewehrt. Das Problem sei hierbei jedoch, dass es keine Eingriffsmöglichkeiten bei Weisungsverstößen oder Krisen gäbe. Es bliebe im Notfall dann lediglich eine Anzeige bei der Polizei.

Bei den 13. Forensiktagen der Klinik Nette-Gut (KNG) stand in diesem Jahr natürlich ein Thema im Vordergrund: Die Novellierung des Gesetzes zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. Diese lässt erwarten, dass mit einer geringeren Einweisungsquote und mit früheren Entlassungen von Patienten zu rechnen ist. Das zweite Thema, das für die Forensik im Mittelpunkt des Interesses steht, ist das neue Maßregelvollzugsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz, in dem auch die multiprofessionelle Behandlung von Patienten geregelt wird.

„Wir stecken in einem Dilemma“, konstatierte Dr. Gerald Gaß, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses (Träger der KNG), in seiner Begrüßung. In der KNG könne man derzeit von rund 30 zu entlassenen Patienten ausgehen. Im Ministerium gäbe es dazu eine gute und konstruktive Diskussion, Konzepte würden erarbeitet. „Wir brauchen mehr Zusammenarbeit mit der gemeindenahen Psychiatrie“, sagte Dr. Gaß. Und: „Wir wollen unseren Beitrag leisten.“ Der Ärztliche Direktor der Klinik, Wolfram Schumacher-Wandersleb, sprach von „Aufgaben ohne Ende“. Aber immerhin wisse er um eine „starke Truppe“ und einen „starken Rücken“ bei der Bewältigung dieser Aufgaben.

„Umbruch ist ein passender Ausdruck“, sagte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Die Reform sei „zu begrüßen“, bringe aber Herausforderungen mit sich. Dennoch: Der Maßregelvollzug sei ein Durchgang, auch forensische Patienten hätten ein Recht darauf. Der Runde Tisch im Ministerium ziele darauf ab, den Patienten nach der Entlassung ein Angebot machen zu können. Dabei sei die Psychiatrische Institutsambulanz unabdingbar: Unterm Strich sieht Bätzing-Lichtenthäler „gute Chancen für eine Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs“.

Die Initiatoren der Forensiktage hatten wie gewohnt Referenten aus verschiedenen Bereichen angeworben, um das Thema der Veranstaltung möglichst breit und in vielen Facetten zu beleuchten. So sprach der Kriminalpsychologe Prof. Dr. Rudolf Egg über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kriminalpsychologie und forensischer Psychiatrie bei der Begutachtung im Straf- und Maßregelvollzug. Andreas Emmerich und Sebastian Wohde (bei KNG) berichteten über die Erfahrungen der Klinik bei der Einführung der Adherence-Therapie.

Wie es aussehen kann, wenn der Maßregelvollzug eines ganzen Landes de facto geschlossen wird, berichteten Prof. Dr. Franco Scarpa und Dr. Pietro Pellegrini. In Italien wurde die Schließung 2014 eingeleitet. Die Referenten zeigten die Probleme auf, die sich damit ergaben. Oliver Schardt und Frank Voss referierten zur Begleitung von forensischen Klienten in der Gemeindepsychiatrie und in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Aus diesen Erfahrungen lässt sich auf kommende Probleme hinweisen, denn letztlich findet mit der Öffnung und Liberalisierung der Unterbringungspraxis eine Verlagerung der Probleme statt, die schon immer in der Rehabilitation von Forensik-Patienten bestand.

Eine Frage, die auch im Landeskrankenhaus gestellt wurde: Wohin mit den Patienten, die von den Kliniken weiter als gefährlich eingestuft werden und für die nun keine Entlassungsvorbereitung erfolgen kann? Uwe Dönisch-Seidel, Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug in Nordrhein-Westfalen, zeigte auf, wie das Bundesland diesen Konflikt im Rahmen regionaler Forensikkonzepte zusammen mit örtlichen Strafvollstreckungskammern, Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie und der Eingliederungshilfe zu lösen versucht.

Dr. Norbert Schalast sprach über Reformen des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Für die Unterbringung in der Entziehungsanstalt lässt sich zeigen, so der Referent, dass Reformen des Maßregelrechts ihre Ziele seit 30 Jahren verfehlen. Den Abschluss bildete der Vortrag von Kathrin Kocherscheidt, stellvertretende Vorsitzende der großen Strafvollstreckungskammer, die zur jährlichen Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung von Patienten in einem psychiatrischen Krankenhaus berufen ist. Sie fragte, ob die Novellierung des § 63 der große Wurf sei. Ihre klare Antwort: „Nein, es ist kein großer Wurf.“ Eher ein kleiner. „Was wird denn aus den Menschen?“

Bei der zwölften Ausgabe der "Forensiktage" der Klinik Nette-Gut (KNG) in Weißenthurm kamen mehr als 100 Fachleute aus zahlreichen forensischen Einrichtungen der gesamten Bundesrepublik und des europäischen Auslands in der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach zusammen, um Erfahrungen und Meinungen auszutauschen.

Im Mittelpunkt stand einmal mehr der Aspekt der Prävention von Straftaten. Nicht zuletzt der 2Fall Mollath" heizt die Diskussion um die Unterbringung psychisch kranker Straftäter an. Eine entsprechende Gesetzesänderung wird deshalb gerade auf Bundesebene angestrebt. Der Entwurf der Bund-Länder-Kommission zur Reform des Paragrafen 63 im Strafgesetzbuch regt an, eine Unterbringung nur noch bei erheblichen Straftaten anzuordnen und die Dauer gleichzeitig zu begrenzen.

"Der Maßregelvollzug ist sich seiner besonderen Herausforderung bewusst", sagte Dr. Gerald Gaß, Geschäftsführer des Trägerunternehmens der KNG, Landeskrankenhaus (AöR), zur Begrüßung. Und immer wieder gebe es Anlass darüber nachzudenken, ob die beschrittenen Wege die optimalen sind. Umso interessanter ist daher zu erfahren, wie anderswo mit psychisch kranken Straftätern umgegangen wird.

In den Vorträgen wurden sehr unterschiedliche Themen behandelt. Die Entwicklung straffälligen Verhaltens in der Kindheit war dabei ebenso interessant wie die Situation der forensischen Psychiatrie in Bulgarien. Zum Schwerpunkt "Prävention", also wie straffälligem Verhalten vorbeugend begegnet werden kann, berichteten Experten aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Eine sehr wichtige Rolle nimmt hier die Allgemeinpsychiatrie ein. Mit dem Thema "Kriminalprävention in der Allgemeinpsychiatrie" setzte sich daher Dr. Stefan Elsner, Ärztlicher Direktor der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach, auseinander. Er befürwortet ein "Home-Treatment", also die Versorgung eines psychisch kranken Menschen in seiner gewohnten Umgebung.

Wolfram Schumacher-Wandersleb, Ärztlicher Direktor der KNG, und Werner Stuckmann, Pflegedirektor der KNG, zogen am Ende der beiden Tage ein sehr positives Fazit: Sie hoben die Qualität der Vorträge hervor und die anschließenden Diskussionsbeiträge. "Ich habe sehr viel mitgenommen", sagte Schumacher-Wandersleb.

Einig sind sich viele Forensiker über die Notwendigkeit eines ambulanten Nachsorgesystems. Das kostet nur im ersten Moment mehr Geld, so Schumacher-Wandersleb. Doch am Ende würde eine solche Art der Prävention sogar Geld einsparen, da präventiv mit den Patienten gearbeitet wird, Straftaten verhindert werden können, Opferschutz präventiv gewährleistet wird und eine erneute Unterbringung in einer forensischen Klinik überflüssig wird. Um darüber zu entscheiden, so Stuckmann und Schumacher-Wandersleb, müssten sich Fachleute und Entscheider an einen Runden Tisch setzen.

Der Maßregelvollzug muss reformiert werden. Besonders die Unterbringung von Straftätern, die beim Verüben ihrer Tat unter einer krankhaften Störung litten, muss verändert werden. Zu diesem Ergebnis kommen die rund 150 Fachleute, die an den 11. Forensiktagen der Klinik Nette-Gut teilgenommen haben. Ihre Forderungen trugen sie bei der abschließenden Podiumsdiskussion in den Konferenzräumen der Rhein-Mosel-Akademie in Andernach zusammen.

Eines der Hauptanliegen richtet sich an die Bundesgesetzgebung. Demnach müssen die Gesetze des Maßregelvollzugs deutlicher formuliert werden, um die Arbeit mit den Straftätern zu verbessern. Außerdem wollen die Tagungsteilnehmer erreichen, dass mehr Patienten ambulant betreut werden. Die Leitlinie "ambulante Behandlung geht vor stationärer" gelte nicht nur für die Akutpsychiatrie, sondern auch für die Forensik. Längst nicht alle Patienten in den Forensischen Kliniken Deutschlands gehörten auch dort hinein.

Diese Auffassung der Tagungsteilnehmer wird gestützt durch den "Fall Mollath", der die Diskussion um den Maßregelvollzug in den vergangenen Monaten entfachte. "Die Überlegungen reichen dabei von einer Überarbeitung der juristischen Voraussetzungen der Unterbringung, über die Verbesserung der Qualität von Prognosegutachten bis hin zu einer deutlich stärkeren Einbindung gemeindepsychiatrischer Strukturen", erklärt der Ärztliche Direktor der Klinik Nette-Gut, Wolfram Schumacher-Wandersleb.

Gerade die Verbesserung der ambulanten Strukturen liegt ihm am Herzen. "Gutachter bestätigen, dass bestimmte Patienten nicht in den Maßregelvollzug müssten, sondern lediglich in geschützte Umgebung", macht er in der abschließenden Podiumsdiskussion deutlich.

Die Tagungsteilnehmer stellten jedoch nicht nur Forderungen an Politik und Gerichte, sondern betrachteten auch ihre eigene Arbeit sehr kritisch. So müssten beispielsweise einheitliche Behandlungsleitlinien definiert werden.

Grundlegende Überlegungen stellte Jürgen Müller, Professor für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie  an der Georg-August-Universität Göttingen, an. Er gab zu bedenken: "Bevor man von Reform spricht, muss ein Kerndatensatz zur Verfügung stehen, mit dem in der Forensik gearbeitet werden kann. Wir haben 9000 stationäre Patienten in forensischen Einrichtungen in Deutschland, 3000 von ihnen sind länger als zehn Jahre untergebracht. Wenn sie so gefährlich sind, warum sollen wir sie behalten?"

Schumacher-Wandersleb, der die Forensiktage der Klinik Nette-Gut bereits seit der Premiere 2003 maßgeblich mit gestaltet, war am Ende sehr zufrieden mit dem Verlauf der zweitätigen Veranstaltung: "Es war eine sehr erfolgreiche Tagung. Wir haben mehrere konkrete Ideen formuliert, wie der Maßregelvollzug in Zukunft funktionieren kann. Diese Forensiktage lebten von der Vielfalt der Referenten. Ob Bürgerinitiative gegen Forensische Kliniken oder die polizeiliche Darstellung von Präventivmaßnahmen - jeder warf einen anderen Blickwinkel auf das Problem."